In dem folgenden Hörbeispiel geht es um ein Klavier der Marke Daewoo. Das Modell heißt Royale. Die Hammerfilze des Instruments sind stark getränkt, zusätzlich ist es verstimmt und in der Tonhöhe auf 417 Hertz abgesunken. Der Kunde wünschte ein Höherstimmen im Idealfall auf 440 Hertz. Beim Höherstimmen stellte ich jedoch Probleme fest, so dass ich ihn überzeugen konnte, es bei 434 Hertz zu belassen, um mögliche Saitenbrüche zu vermeiden.

Wenn ich Ihnen das folgende Hörbeispiel vorstelle und es kommentiere, dann habe ich die Wahl: Klage ich anhand des Beispiels die Klavier-Industrie an? Oder erläutere ich Ihnen auf der Grundlage des dank Service erreichten Unterschieds den nahezu evolutionären Fortschritt vom Hammerklavier zum Pianoforte? Vielleicht kann ich ja sogar beides kombinieren!

Als der Cembalobauer Bartolomeo Cristofori nach dem Besuch des damals berühmten Hackbrettspieler Pantaleon Hebenstreit Anfang 1700 auf die Idee kam, das beidhändige Klöppeln des Hackbrettspielers mittels einer Hammermechanik nachzubilden, und das heißt, zu mechanisieren, schaffte er die Voraussetzungen für das Hammerklavier. Das Clavier war zu dieser Zeit der Oberbegriff für Tasteninstrumente. Das erklärt auch, warum Johann Sebastian Bach sein Werk des Wohltemperierten Klaviers schreiben konnte, obwohl das uns heute bekannte Klavier zwar in Ansätzen existierte, aber sich noch längst nicht gegen andere Instrumente durchgesetzt hatte. Unter einem Hammerklavier verstand man demnach ein Tasteninstrument mit einer Hammermechanik.

Die Konstruktionsmerkmale des neuen Instruments orientierten sich an dem Vorbild dieses besonderen Hackbretts, einer Sonderanfertigung, die man Pantaleon nannte, bzw. an den ebenso besonderen Werkzeugen des Hackbrettspielers. Daher wurden beim Hammerklavier bei einem zum Cembalo identischen Tonumfang pro Ton 2 Saiten angeschlagen. Und da Pantaleon Hebenstreit Klöppel einsetzte, die auf der einen Seite aus Holz und auf der gegenüberliegenden Seite beledert waren, schlugen entweder hölzerne oder belederte Klöppel gegen die Saiten der ersten Hammerklaviere. Der Klang war nicht wirklich schön, aber vor allem auch nicht so ganz anders als der des Cembalos, bei dem Saiten mit dünnen Kielen angerissen werden. Daher tat sich das Hammerklavier in den ersten 100 Jahren seiner Entwicklung auch sehr schwer. Der Erfinder, Bartolomeo Cristofori, glaubte nach circa 30 gebauten Exemplaren nicht an die Zukunft des Instruments und stellte daher die Produktion wieder ein.

Wie wir rückblickend wissen, wurde die Idee von anderen Instrumentenbauern aufgegriffen und weitergeführt. Die Hutmacher machten den Filzhut modern. Möglicherweise dadurch inspiriert kam 1826 der deutsch-französische Klavierbauer Henri Pape auf die Idee, den Filz über die hölzernen Kerne der Hammermechanik zu spannen. Das Ergebnis war begeisternd, denn nun hatte das Instrument nicht nur endlich einen eigenen Klangcharakter, der es deutlich vom Cembalo unterschied, sondern dieser Klang wurde auch noch als Wohlklang empfunden. Mit dem veränderten Klang veränderte sich quasi der Markenkern des Instruments. Daher wurde aus dem Hammerklavier das Pianoforte. Der neue Klang war der Schlüssel für die nachfolgende rasante Entwicklung des Instruments sowie die anschließend weltweite Verbreitung des Pianos.

In der Zeit der Entwicklung des Instruments ging es selbstverständlich um dessen Optimierung. Es wurde klanglich sowie technisch optimiert. Es bekam einen großen Klangkörper, damit verbunden lange Saiten als Voraussetzung für einen guten Ton sowie für die bestmögliche Stimmbarkeit. Die Klavierhämmer bekamen zusätzlich zu der Oberschicht, die auf den Saiten aufschlug, eine Unterschicht, um die Elastizität des neuen Materials zu erhöhen und gleichzeitig zu stabilisieren. Auch heute noch haben hochwertigere Hammerköpfe einen Unterfilz, der sich farblich vom weißen Oberfilz unterscheidet.

Die Zeit der Entwicklung des Pianofortes war 1870 abgeschlossen. Danach wurde das Piano zum Verkaufsschlager. Es entstanden massenweise Klavierfabriken. Allein in Berlin soll es um 1900 über 180 Klavierfabriken gegeben haben. Ebenso in London. Als Folge der Industrialisierung setzte schon um 1900 das Streben nach einer Gewinnoptimierung ein. Die Produktion wurde besser organisiert. Die Klaviere wurden kleiner, damit man sich Material sparen konnte. Die Unterschiede in der Höhe und den Auswirkungen auf den Klang sowie die Spieltechnik waren anfangs gering. Der damit verbundene qualitative Verlust daher auch hinnehmbar. Doch am Ende war der Unterschied doch erheblich, denn aus den ursprünglich bis 1,50 m hohen Pianoforte war auf einmal das Kleinklavier geworden, das nur noch 1,08 m Höhe aufwies. Um den offensichtlichen Verlust auszugleichen, bekam diese Variante den Zusatz modern, da das Moderne ja immer besser ist als das Alte. In den Klaviergeschäften sprach man nun vom modernen Kleinklavier. Mit dem deutlich kleineren Klangkörper verbunden waren kürzere Saiten, was vor allem im Bass aus Sicht eines Klavierbauers ein Tabu sein muss, da man im Bassbereich ja eh schon mit der Umspinnung der Saiten zu einem Trick greift, um überhaupt die tiefen Töne erzeugen zu können. Der Trick hat den Preis, dass die Inharmonizität der kürzeren Saiten steigt. Natürlich litt auch die Klaviermechanik unter den räumlichen Einsparungen. Die Tasten bekamen seltsame Abstufungen, um hier auch noch ein paar Millimeter zu gewinnen. Und zum Schluss veränderte man auch noch die Produktion der Filze, die nicht mehr gewalkt, sondern maschinell gepresst wurden. Das Ergebnis waren vor allem anfangs Filzplatten mit zu wenig Spannung. Die Spannung versuchte man daher nachträglich in den Filz zu bekommen, indem man die Filze mit einer klebrigen Flüssigkeit tränkt. Wenn die Flüssigkeit trocknet, wird der Filz hart und der Ton wird lauter. Das war das Ziel. Die Nebeneffekte lauten: Der Ton wird gleichzeitig grell und der Filz verliert seine Elastizität, also das einzige Klanggestaltungsmerkmal, das es im Pianoforte überhaupt gibt – sieht man einmal vom Una-Corda-Pedal ab, das es in der Regel nur beim Flügel gibt. (Anmerkung: Bei Einsatz des Una-Corda-Pedals reduzieren sich aufgrund der seitlichen Verschiebung der Mechanik die Anzahl der angeschlagenen Saiten und somit verändert sich auch der Klang.) Der Gewinn liegt also ausschließlich bei der Industrie. Für den Klavierspieler ist es ein eindeutiger Verlust, nämlich konkret des Spielraums seiner Ausdrucksmöglichkeiten. Denn aufgrund der harten Filze und des grellen Klangs ist ein Leisespiel auf dem so genannten Piano kaum noch möglich. Man wird förmlich dazu genötigt, auf die Tasten einzuhämmern, um ein halbwegs gleichförmiges Ergebnis zu erreichen. Entspannung ist bei einem solchen Klang nicht mehr möglich. Die Lust aufs Klavierspiel geht so begründet gegen Null. Die Industrie hat somit den eigenen Niedergang aufgrund von Gewinnsucht eingeleitet. Warum? Da der so genannte Brillante Klang – also wieder so ein Mehrwert-Etikett wie beim Modernen Kleinklavier – der Rückschritt in die Zeit ist, als es noch keinen Filz gab und lediglich hölzerne oder mit Leder überzogene Hämmerchen gegen die Saiten schlugen...

Wenn es um das Tränken geht, so haben die einzelnen Spezialisten oftmals ihr Geheimrezept. Von den Koreanern weiß man, dass sie ein Mittel verwenden, dass man durch nachträgliches Stechen der Hammerfilze kaum noch elastisch machen kann. Die Nadeln drohen beim Stechen abzubrechen, so hart ist der Filz.

Vergleichen Sie die Aufnahme des verstimmten Pianos mit der Endstimmung sowie der damit verbundenen Intonation und der darüber erreichten Verbesserung!

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Bitte beachten Sie, dass sämtliche Hörbeispiele der Klavierstimmerei Praeludio durch das Copyright geschützt sind.

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    Klavierstimmer, Klavier stimmen, Klavierklang, greller Klang, Intonation, getränkte Hammerfilze, Hörbeispiel
    • Type: Live
    • 92.5 bpm
    • Key: B
    • © All rights reserved
    • Würzburg, Deutschland
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