Sie hören die Aufnahme eines circa vor 1890 in Leipzig gebauten Klaviers. Die Klavierbauer waren die Gebrüder Zimmermann, die ihre Frabrik erst 1884 gegründet hatten. Man hört gleich am Anfang massive Nebengeräusche, die vom Tonhaltepedal herrühren. Das Pedal war auch so eingestellt, dass die Dämpfer gar nicht vollständig von den Saiten abhoben. Daraus ergaben sich für mich ein paar Irritationen beim ersten Probespiel. Und man hört, dass es schwierig ist, festzustellen, auf welcher Tonhöhe das Instrument steht. Tatsächlich war es in sich circa einen halben Ton verstimmt. Da die Saiten ziemlich stark verrostet waren, entschied ich mich für die tiefere Tonhöhe, um das restliche Klavier schonend dahingehend herunter zu stimmen. Wenn Sie also Vorher auf dieser Seite mit dem Nachher vergleichen, werden sie sofort einen deutlichen Tonhöhenunterschied feststellen. Der ist dem Alter und dem Zustand des Pianos geschuldet.

Das Instrument aus unserem Hörbeispiel hat noch die alte Oberdämpfung, die von den Klavierstellern als überholt und minderwertig eingestuft wird. Tatsache ist, dass sie ihre Schwächen, aber auch ihre Stärken hat. Umgekehrt gilt das gleiche für heute aktuelle Unterdämpfungsmechanik, die nämlich hinsichtlich des Spielgefühls immer ein wenig des Keyboard-Feelings beinhaltet, da ja die Dämpfer der Untermechanik mit Federn gegen die Saiten gedrückt werden, und man beim aufrecht stehenden Klavier ab einem bestimmten Abschnitt des Tastenwegs diese Federkraft überwinden muss. Feder- und Gewichtskräfte verhalten sich aber völlig gegensätzlich. Bei einer Feder steigt der Widerstand an, wenn ich die Feder zusammendrücke. Beim Gewicht setze ich dagegen am Anfang einen entsprechenden Bewegungsimpuls und wenn das Gewicht sich dann in die entsprechende Richtung bewegt, sinkt mein Krafteinsatz schlagartig auf Null. Daher ist es auch leicht, eine gedrückte Klaviertaste unten zu halten, während es im Vergleich dazu richtig nervt, wenn man am Keyboard ständig Kraft aufwenden muss, um die Taste gedrückt zu halten, da sich unter der Taste mangels eines Gewichts am Ende der Taste eine Feder befindet. Man empfindet es schlicht als unökononisch, auch wenn man die Details im Hintergrund gar nicht so genau kennt. Bewegungen mit Gewichten kennen wir, seitdem wir die Bühne dieser Welt mit einer Schwerkraft betreten haben. Daher empfinden wir diese Art von Bewegung auch als authentisch und daher quasi automatisch als mehrwertig. Doch dieses Bewegungsideal finden wir im Piano nur beim aufrechten stehenden Klavier mit der alten Oberdämfpermechanik sowie beim Flügel. Wenn aber nun der Bund Deutscher Klavierbauer Pianos mit Oberdämpfermechanik nur wegen dieses Mechaniktyps automatisch im Wert auf Null setzt, dann zeugt das nicht von Sachverstand. Vielmehr ist es der verzweifelte Ausdruck einer im Niedergang befindlichen Industrie, die mit aller Macht an dem vor über 100 Jahren erfolgreichen Geschäftsmodell festzuhalten versucht. Denn die Klavierbauer verfolgen kein anderes Ziel als das einer Marktbereinigung, wenn sie versuchen, die alten Klaviere mit den abstrusesten Strategien vom Markt zu bekommen, um so Raum für den Verkauf neuer Pianos zu schaffen. Doch dieser Markt ist nicht nur gesättigt, sondern er befindet sich wie der Rest der Welt in einer starken Veränderungen. Daher erfordert das Geschäftsmodell Anpassungen an die neuen Gegebenheiten. So könnte man sich z.B. gerade mit diesen alten Pianos rühmen, ganz offensichtlich schon seit über 100 Jahren nachhaltig zu produzieren. Aber auf diese Idee kommen die Kollegen nicht. Vielmehr reihen sie sich nahtlos ein in die neoliberalen Reihen und vertreten die längst nicht mehr akzeptable Strategie einer Wegwerfgesellschaft. Wer so weltfremd ist, den kann man ohne jede Verlustangst nach China verabschieden.

Und tatsächlich endet so unser Ausflug in die Untiefen einer nicht mehr zeitgemäßen Industrie. Denn die Marke Zimmermann wurde nach der Wende von Bechstein (Berlin) übernommen. Heute steht der Name Zimmermann für die Pianos, die für China gedacht sind, und die daher auch in China produziert werden. Wie es der so genannte Zufall will, hatte ich einen Tag zuvor zum ersten Mal die Gelegenheit ein solches Chinapiano mit der Aufschrift Zimmermann zu stimmen.

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    • Mitterteich, Deutschland
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