Sie hören die Aufnahme eines komplett verstimmten Klaviers der Marke Mannsfeldt-Notni mit Oberdämpfermechanik. Das Instrument wurde um 1900 gebaut. Nach dem ersten Probespiel erkundigte sich die Besitzerin des Pianos, ob es denn nun stark verstimmt sei. Darauf antwortete ich mit der Gegenfrage, ob sie das von mir gespielte Stück erkannt hätte. Sie verneinte. Daraus zog ich die Schlussfolgerung, dass es stark verstimmt war. Manchmal sage ich wie im Scherz, dass ein Klavier nicht so stark verstimmt sei, da man ja die Melodie noch erkannt hätte. Diese Aussage treffe ich, da mir immer wieder mal Pianos begegne, bei denen auch ich das Stück nicht mehr erkenne, das ich gerade spiele.

Nach dem beeindruckenden Probespiel stellen sich mir mehrere Fragen:

  1. Ist das Klavier noch stimmbar? In dem Zusammenhang: Was ist der Grund für die Verstimmung? Das Alter, die lange des Zeit ohne Service, ein Schaden im Stimmstock oder in der Gussplatte, oder gibt es einen anderen Grund? Die Klavierspielerin hat sich als Selberstimmerin versucht.
  2. Wie gut wird das Piano noch zu stimmen sein?
  3. Werde ich alle technischen Probleme lösen können?
  4. Wie gut wird am Ende die mögliche Performance des Pianofortes sein – und zum Schluss die wesentliche Frage: Was darf dies alles kosten?

Es empfiehlt sich einfach mal Schritt für Schritt vorzugehen. Am besten zuerst die stärksten Störungen beseitigen, nämlich die gerissenen Saiten. Muss man diese ersetzen? Das kommt darauf an. Beim Klavier werden ja außer in der letzten Oktave im Bass mindestens zwei, meistens sogar drei Saiten gleichzeitig angeschlagen. Nun kommt es darauf an, wie die Saiten unten in der Gussplatte befestigt sind und damit verbunden spielt es eine Rolle, ob von einem Ton eine oder zwei Saiten fehlen. Einen geringen Lautstärkenunterschied durch das Fehlen einer Saite hört man in der Regel kaum.

Exkurs: Dann das ist der Grund dafür, dass mit einem Hammer über eine Taste mehrere Saiten angeschlagen werden: Drei Saiten klingen dreimal so laut wie eine Saite. Das war vor 200 Jahren die Lösung, um mit einem Saiteninstrument für Konzerte größere Hallen beschallen und somit ein größeres Publikum bedienen zu können. Damit verbunden waren dann natürlich auch höhere Einnahmen über die Eintrittspreise. Vor 200 Jahren und nachfolgend ging es nämlich um die Entwicklung eines neuen Geschäftsmodells: Das Klavierkonzert wurde geboren. Damit verbunden war die Möglichkeit, dass sich Pianisten aus der Kirchenmusik sowie den Fürsten als Sponsoren befreien konnten, indem sie weltliche Musik für ein breites Publikum spielten und somit ihre Leistung im Direktmarketing an viele Kunden anstatt wie bislang nur ein Einzelkunden wie die Kirche oder den Fürsten live verkaufen konnten. Dieser Weg wurde 1721 durch Johann Sebastian Bach eröffnet und konsequent verfolgt. Aber erst mit der Erfindung des Hammerklaviers entstanden erste Solokonzerte für Klavier. Da das Hammerklavier mit einem damals noch kleineren Tonumfang nur 2 Saiten pro Ton mit einem schwächeren Saitenbezug und daher auch noch mit kleineren Klavierhämmern angeschlagen wurde, war der Ton zarter und leiser als beim heutigen Piano. Daher kam es in der Entwicklung eben neben einem immer stärkeren Bezug der Saiten und größeren sowie ab 1826 erst mit Filz überzogenen Hammerköpfen zu der Erhöhung der Saitenzahl pro Ton, um die Lautstärke deutlich zu erhöhen.

Zurück zu unserem Klavier mit Oberdämpfermechanik. Beim Stimmen führte ich nebenbei eine Analyse der Verstimmung durch. Der Versuch des Selberstimmens war im Ansatz grundlegend problematisch, da sich die Selberstimmerin mit einer App an dem heute üblichen Kammerton orientierte. Aber das Piano aus unserem Hörbeispiel war lange vor der Zeit gebaut worden, als man für den Kammerton international die Empfehlung von 440 Hertz aussprach. Sie wusste nicht, was sie tat. Denn sie versuchte ihr Klavier nicht nur selbst zu stimmen, sondern in einem Durchgang auch höher zu stimmen. Das gelingt aber selbst Profis bei einem so hohen Tonhöhenunterschied nicht. Das Höherstimmen ging in weiten Bereichen noch gut. Doch dann musste sie ein paar Hämmer auslassen, deren Hammerstile gebrochen war, die auf eine Reparatur warteten. Beim Überspringen dieser Partie ist ihr dann ein Fehler unterlaufen, so dass sie die Töne 5 Halbtöne höher gestimmt hat. Dabei sind dann die Saiten gerissen. Daher auch das für das Gehör regelrecht verwirrende Ergebnis, das im Hörbeispiel kaum noch ein Muster erkennen lässt. Nach der dritten gerissenen Saite gab sie ihren Versuch auf – und suchte etwas später nach professioneller Hilfe. Diese bot ich ihr anschließend auch für den Fall an, dass sie das Selberstimmen richtig lernen will. Denn das Selberstimmen wird zwangsläufig zum Trend, da nämlich aufgrund der langen Lebensdauer der Klaviere und damit verbunden einem schon längst gesättigten Markt die Klaviergeschäfte vor Ort und daran gekoppelt der Klavierservice ausstirbt. Wer weiterhin sein Akustikpiano spielen möchte und von den aktuellen Entwicklungen unabhängig sein will, dem bleibt nur dieser Weg, das Selberstimmen zu lernen, um diesbezüglich unabhängig zu werden. Vorausschauend hat Praeludio diesen Trend erkannt und bietet Ihnen daher diese Möglichkeit im Rahmen eines Praktikums Selberstimmen an.

Vergleichen Sie nun die vorherige Verstimmung aus dieser Aufnahme mit dem erreichten Endergebnis!

Ist auch Ihr Klavier oder Flügel verstimmt? Dann finden Sie hier die Leistungen und Festpreise der überregionalen Klavierstimmerei Praeludio für den Landkreis Bayreuth.

Bitte beachten Sie, dass sämtliche Hörbeispiele der Klavierstimmerei Praeludio durch das Copyright geschützt sind.

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