1896 wurde das Piano aus diesem Hörbeispiel von A. H. Francke in Leipzig gebaut. Wir hören beim Probespiel, dass die Struktur der letzten Stimmung noch erhalten ist. Aber wir hören auch eine Vielzahl von massiven Störungen. Es handelt sich um so genannte Kritische Töne. Das sind Alarmtöne, die uns schlagartig in einem Alarmzustand versetzen. Sie aktivieren unser kritisches Bewusstsein. Das will die Ursache analysieren, um die Fragen zu klären: Liegen Schäden vor? Wie stark sind die möglichen Schäden? Diese Analyse weiten wir im nächsten Schritt auf die Mechanik aus, denn einige Töne waren gar nicht zu hören. Aber damit ist zu rechnen, wenn man auf ein 124 Jahre altes Pianoforte trifft, das schon längere Zeit nicht mehr gespielt worden ist.

Also schauen wir mal gemseinsam genauer hin. Um was für ein Klavier handelt es sich? War der Hersteller ein echter Klavierbauer? Oder hat da jemand nur das Innenleben kopiert, wie das um 1900 häufig der Fall war? Die Details verraten uns: A. H. Francke war ein Klavierbauer auf der Höhe seiner Zeit bemüht um beste Qualität! Woran kann man das erkennen?

Unser Klavier ist auf dem technischen Stand, der 1870 erreicht worden ist. Mangels TÜV war die Übernahme der neuen Errungenschaften eine Frage der inneren Überzeugungsarbeit als Fachmann. Das Instrument aus diesem Hörbeispiel ist ein Kreuzsaiter mit Unterdämpfermechanik. Im mittleren Teil des Pianos sehen wir oben einen geteilten Druckstab (auf den Bildern der Slideshow im Kopf der Seiten der beiden Hörbeispiele). Die zweichörigen umsponnenen Basssaiten haben einen eigenen Druckstab erhalten. Diese Aufteilung setzt sich unten fort. Denn diese Saitengruppe hat unten auch einen eigenen, dritten Steg erhalten. Warum hat Francke das gemacht? Um die Mensur, also die Saitenlängen und Saitenstärken durch eine noch bessere Möglichckeit zur Differenzierung im Übergang von der Mittellage zum Bass, von den blanken zu den umsponnen Saiten besser gestalten zu können.

Allen drei Stegen sieht man im Detail die Liebe zum Fach an. Denn sie laufen alle sanft aus, integrieren also nicht nur den unter sich liegenden Resonanzboden für die Übertragung der Schwingungen der Saiten, sondern die Stege in einem sanften Auslauf.

Darüber hinaus sieht man am Basssteg eine Bassbrücke. Diese dient einerseits dazu, den Saiten möglichst viel Länge zu geben. Gleichzeitig wird aber die Auflagefläche der Saiten durch die Brücke vom Rand weg in Richtung Resonanzbodenmitte verlegt, wo dieser besser schwingen kann. Es handelt sich um eine gleichzeitige Optimierung der Stimmbarkeit durch eine Verringerung der Inharmonizität als Folge der Saitenläge, als auch des Klangs.

Solche Instrumente sind Visitenkarten des hohen kulturellen Standes, den wir in Europa erreicht hatten. Sind es wert, zumindest entsprechend gewertschätzt zu werden. Für die meisten meiner Kollegen ist das aber schon längst nicht mehr der Fall. Sie blieben in dem alten Geschäftsmodell hängen. Das lebte vor allem vom Verkauf. Heute blockieren aber massenweise alte, immer noch gespielte Pianos den Markt. Es soll in Europa 8 Millionen Klaviere geben. Dieser Markt ist gesättigt. Hier kann man kaum noch neue Klaviere verkaufen – außer man geht einheitlich gegen die alten Instrumente vor, indem man ihnen den Service verweigert, die Kunden über den Zustand täuscht, um so die Möglichkeite für einen Neukauf zu generieren. Doch wer sich heute ein Akustikpiano kauft, sollte wissen, dass dem Akustikpiano der Service ausstirbt! Ja, die Klavierstimmer sterben aus. Warum? Wie soeben erläutert haben die Klaviere eine außergewöhnliche Lebensdauer. Sie sind nachhaltig produziert. Der Markt ist gesättigt. Es besteht kein Bedarf mehr für Klaviergeschäfte vor Ort. Damit verbunden stirbt aber auch der Klavierservice. Denn die Hersteller haben traditionell den Händlern vor Ort hohe Gewinnspannen als Gegenleistung für die anschließende Servicebereitstellung versprochen. Also müsste man sich auf den Service konzentrieren? Das ist richtig. Und wenn das geschieht, muss man genau hinschauen: Wer steht hinter den Anbietern von Serviceleistungen? Häufig sind es Geschäfte und Werkstätten. Der Service wird missbraucht, um Folgeaufträge zu generieren. Das heißt letztendlich: Die meisten Beteiligten des Klaviermarktes zerstören den verbliebenen Markt. Was wird geschehen? Lässt sich der Markt einfach so zerstören? Wie werden die Kunden reagieren? Nun, wie wir wissen, regelt der Markt sich selbst. Wie sieht das in unserem Fall aus? Die Klavierbesitzer werden regelrecht in die Arme der Digitalpiano-Hersteller getrieben. Diese sind erfreut und liefern heute schon nahezu gleichwertige Ergebnisse, für sogar schon Klavierbauer wie Bechstein sowohl über neue Konzertformen, bei denen sich Konzertflügel und Hybridpiano eine Bühne teilen, als auch durch die Verbreitung von haarsträubenden Verkaufsargumten für das E-Piano über die sozialen Medien werben. Doch das ist erst der Anfang. Die digitale Zukunft für die Musik ist vielversprechend. Aktuell kommen Tasteninstrumente auf den Markt, die die Phantasie von Klavierspielern sprengen. Die Entwicklung geht Hand in Hand. Ohne es zu wollen, leisten die Klavierbauer und -händler unserer Zeit einen am Ende einen konstruktiven Beitrag für den anstehenden kulturellen Wandel…

Moment mal. Und wie ging nun die Geschichte mit dem Klavier aus unserem Hörbeispiel aus? Vergleichen Sie die Verstimmung aus der Aufnahme auf dieser Seite mit der erreichten Endstimmung!

Ist auch Ihr Klavier oder Flügel verstimmt? Dann finden Sie hier die Leistungen und Festpreise der überregionalen Klavierstimmerei Praeludio für Nürnberg in Stadt und Land.

Bitte beachten Sie, dass sämtliche Hörbeispiele der Klavierstimmerei Praeludio durch das Copyright geschützt sind.

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