Das Piano aus diesem Hörbeispiel wurde 1908 von der Firma Steingraeber in Bayreuth hergestellt. Es hat aus heutiger Sicht die außergewöhnliche Höhe von 150 cm und ist somit ein Klavier-Riese. Die Größe bringt hörbare Qualität: In den tiefen Lagen hören wir einen Super-Bass. Und die Größe des Resonanzbodens bewirkt bis in die Mittellage einen volleren Ton. Insgesamt ist das Klangmuster der verschieden Lagen Bass, Mittellage und Diskant ausgeglichen. Auch die Spielart ist trotz der Größe sehr angenehm. Es handelt sich tatsächlich um ein Meisterwerk der Klavierbaukunst, für die sich Steingraeber ja heute noch gerne selbst rühmt.

In der Aufnahme hören wir aber im oberen Diskant einige Alarmtöne, die einen hörbaren Hinweis darauf geben, dass möglicherweise im Stimmstock ein Schaden voliegt, was in uns natürlich einen Schreck = Alarm auslöst. Der Stimmstock ist im Klavier oben, beim Flügel vorne. Er ist aus Holz und in ihm stecken die so genannten Stimmnägel, an denen die Saiten aufgewickelt sind, und an denen der Klavierstimmer mit dem Stimmhammer dreht, um die Saitenspannung zu verändern. Vor allem bei älteren Klavieren war der Stimmstock noch aus Massivholz, der bei zu trockener Lagerung (unter 30% Luftfeuchtigkeit) reißen kann. Dann haben die Stimmnägel, die von einem Riss betroffen sind, nicht mehr den Halt, um die hohe Saitenspannung der Klaviersaiten (70-100 Newton pro Saite) halten zu können. Und da bei fast allen Tönen mindestens zwei, ab der Mittellage drei Saiten pro Ton angeschlagen werden, ist meist nur einer der zwei/drei Stimmnägel betroffen. Das führt dazu, dass die Einzeltöne in sich auffällig verstimmt sind. Im harmlosen Fall der Verstimmung singt oder verschwimmt der Ton, das heißt, der präzise Einzelton bekommt mehr Breite bzw. einen Sound, der sich jedoch meist von den anderen Tönen unterscheidet, weshalb unser kritisches und analytisches Bewusstsein aktiviert wird, das nachfolgend nach der Ursache forschen will, anstatt der weiter spielenden Musik zu folgen. Daher gilt es zuerst zu prüfen, ob das Klavier überhaupt stimmbar ist.

Im Rahmen der ersten Prüfung der kritischen Stimmnägel ermittle ich die Tonhöhe. Es sind 434 Hertz. Das ist ungefähr die Tonhöhe, die damals, 1908, üblich war. Daher lasse ich das Instrument beim anschließenden Stimmen auf dieser Tonhöhe, nachdem ich mich vorher erkundigt hatte, wie das Piano genutzt wird. Und da es hauptsächlich alleine genutzt wird, ist man bezüglich des so genannten Kammertons frei. Ein tieferer Kammerton bewirkt nicht nur, dass sich Klavierspieler und Zuhörer besser entspannen können. Er führt auch im Instrument zu weniger Spannung. Wenn der Resonanzboden weniger unter Spannung steht, und das heißt beim Klavier aufgrund des gewölbten Resonanzbodens, dass der Resonanzboden weniger unter Druck steht, dann kann er freier schwingen. In diesem Fall kann der Ton sein ganzes Volumen entfalten. Das Phänomen kennen Sänger, wenn sie tiefer singen dürfen, dass sie sich weniger anstrengen müssen für die höheren Töne, den Ton daher besser zum Klingen bringen können und insgesamt mehr Freude am Singen haben. Tatsächlich gibt es KEINEN guten Grund für den höheren Kammerton, wie er 1939 im Zuge der Internationalisierung des vorher regional sehr unterschiedlichen Kammertons auf 440 Hertz empfohlen wurde, außer dass er zur Gewohnheit geworden ist, und eben alle Instrumentenbauer sich mehr oder weniger an dieser Norm ausrichten. Für die Zukunft sage ich voraus, dass es zu einer Flexiblisierung des Kammertons kommen wird, wenn erst einmal alle Instrumente in digitalen Vollwert-Versionen vorliegen. Das wird dazu führen, dass man die Tonhöhe mit dem gewollten Kontext des Stückes in Zusammenhang bringt: Soll der Song eher Anspannung, Motivation vermitteln, so wird er höher gestimmt eingespielt. Will man jedoch Entspannung, Träumereien mit dem Stück transportieren bzw. beim Zuhörer auslösen, spielt man das Werk tiefer ein. Das ist bislang immer noch Geheimwissen. Die darüber verfügen und die Macht haben, es durchzusetzen, taten dies auch schon früher und bis heute: Militärkapellen stimmen auf 460 Hertz – also fast einen ganzen Ton höher als die seit 1939 üblichen 440 Hertz. Was ist der gewollte Kontext, der mit der Militärmusik vermittelt werden soll? Natürlich Anspannung, Bereitschaft, der Wille in den Krieg zu ziehen.

Vergleichen Sie die Verstimmung auf dieser Seite mit der erreichten Endstimmung und insbesondere wie das Klavier ohne die Alarmtöne in der Stimmung auf Sie wirkt!

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    • Type: Original
    • 92.5 bpm
    • Key: G
    • © All rights reserved
    • Ansbach, Deutschland
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