Tracklist:
1 M13 – Stereo Luchs (Pegel Pegel!)
2 No push murder – Superman & Spiderman (VP)
3 Born Lover Man – Tiger (VP)
4 Jah Run Things – Super Cat (Wild Apache)
5 Rougher Than Rough – Junior Cat (VP)
6 Promoter Run Call Me – Stereo Luchs (Pegel Pegel!)
7 Poor People – Junior Cat (Blender’s Finest)
9 Solo Tu – Killa Cat (Blender’s Finest)

Mix for Sublin/mes #6: Animot, S. 74–76
sublinesblog.wordpress.com

Das Repräsentier oder Becoming Animal: Wenn der_die Künstler_in zu einer Makrele wird, die eine Katze verspeist.

Musikalische Fragmente im Mix, mit einer Einleitung.
Mix und Text von Samuel Camenzind

„M13“ könnte die Bezeichnung für eine Autobahn oder einen amerikanischen Maschinengewehrtyp sein. Nach einer zoologischen Systematik steht sie jedoch für den dreizehnten maskulinen Jungbären, der vor ein paar Jahren in einem Ansiedlungsprojekt für internationales Medienecho sorgte. Zu einem Eigennamen wie der seines Verwandten Knuut, dem Eisbären, hat es nicht gereicht. M13 wurde am 19. Februar 2013 im Kanton Graubünden erschossen. Der Braunbär wurde als Risikobär eingestuft, weil er „systematisch in Siedlungen nach Nahrung suchte, Menschen am Tag folgte und trotz wiederholten Vertreibungsaktionen auch nach dem Winterschlaf keine Scheu zeigte“. Die Schweizer Behörden vermuten, dass M13 dieses problematische Verhalten bereits in Italien erlernt hat. Da es nach der Medienmitteilung des Bundesamtes für Umwelt und des Bau-, Verkehrs- und Forstdepartements Graubünden „aus tierethischer Sicht fragwürdig ist, einen wilden Bären in einem Gehege einzusperren“ wurde er “konsequenterweise“ erschossen. Dass der Nuisance Bear der österreichischen Polizei zum Fund einer Leiche im tirolischen Spiss verhalf, fand keine Berücksichtigung in ihrer Beurteilung. Nach Sue Donaldsons und Will Kymlickas Terminologie in Zoopolis ist M13 ein Musterbeispiel eines unverbesserlichen „Liminal Animal“, ein Grenzgängertier, das die Kategorien Wildtier und Haustier sprengt und Grenzen überschreitet. Der Begriff des „Grenzgängertiers“ muss bei M13 aber um verschiedene Bedeutungsdimensionen erweitert werden. Er missachtete in seinen Streifzügen trotz Vergrämungsaktionen mit Gummischrot und Knallpetarden mehrfach die Grenze zwischen Natur und Kultur. Auch ein Zusammenprall mit der Rhätischen Bahn lehrte ihn keines Besseren.
Im Dreiländereck Italien, Österreich und der Schweiz ignorierte er spöttisch geographische und politische Grenzen. Nun setzt er sich selbst post mortem
über sie hinweg. Eigentlich im Museo Poschiavino als Präparat konserviert und sicher verwahrt, holt ihn der Schweizer Mundart-Reggae Künstler Stereo Luchs mit einem Song aus der verstaubten Gruft und führt ihn mit 83 Beats pro Minute im Passgang spazieren. Der Tribut an M13 wird auf dem neu eingespielten Instrumental „M16“ im narrativen Stil des 80er-Jahre Reggae erzählt. Der fiktionale Song handelt von M13, der ein begnadeter Sänger gewesen sein soll und kurz vor dem Durchbruch stand. Die bevorstehende Karriere des Braunbären findet jedoch mit seinem Abschuss ein abruptes wie
tragisches Ende. Die Idee eines Bären, der sich gesanglich betätigt, ist jedoch
weniger aus der Luft gegriffen als es auf den ersten Blick erscheint. Im jamaikanischen Musikgenre tummeln sich viele Künstler_innen, die sie mit einem Tiernamen zieren. Neben Stereo Luchs fallen darunter zum Beispiel auch Super Cat, Elephant Man, Red Rat, Black Rhyno oder Mad Lion. Man bedient sich aber auch tierischen Fabelwesen und Monstern wie King Kong, Red Dragon, Goofy, Pink Pantha oder Gongzilla. Letzteres ist einer der Künstlernamen von Damian „Jr. Gong“ Marley, Sohn der Reggaelegende Bob Marley.
Wie der Name Red Rat andeutet, dienen nicht nur „würdevolle“ Tiere der Big Five als Namensgeber, sondern auch Insekten (Madd Spider), Reptilien (Daddy Lizzard, Mad Cobra, Silver Turtle), Fische (Gospel Fish, Major Mackerel, Ranking Fish Eye) oder Würmer (Earthworm). Die Klassifikation der Katzenartigen wie Super Cat, Top Cat, Junior Cat oder Stereo Luchs sind insofern eine Sonderfall, da sie aufgrund ihres Sprechgesangstils eine eigene Kategorie bilden, die sich klar von jener der Unpaarhufer Zebra und Burro Banton (Packesel) oder der Nagetiere wie Eek a Mouse oder Red Rat unterscheidet. Im Reggae und Dancehall wird also nicht nur inhaltlich über das Tier oder metaphorisch mit dem Tier gesprochen, die Künstler_innen sprechen und singen als Tiere. Wer sich wessen bemächtigt, wer als bzw. durch wen spricht ist nicht eindeutig bestimmbar. Spätestens beim Anhören des onomatopoetischen Gesangstils eines Major Mackerel oder Duckmans löst sich der_die Künstler_in in den Tierlauten komplett auf. Die chimären- und chameleonartige Kreatur, die sich in Prozessen der Eigenbezeichnung und durch Selbstinszenierung stetig erschafft, die sich in intertextuellen Fremdbezeichnungen durch andere (Tier-) Künstler_innen, Ansagen von DJs und Anreden von Journalist_innen manifestiert, diese Kreatur könnte man das „Repräsentier“ nennen. In ihm beginnt der Repräsentant und das repräsentierte Tier in einer Metamorphose zu verschwimmen. So ist auch das Repräsentier ein Grenzgängertier, das die Grenzen zwischen Fiktion und Realität, Bühne und Zuschauerraum, Public and Privacy auföst.
Im Gegensatz zu M13 wurden Künstler_innen wie Super Cat, Zebra und Tiger nicht gleich erschossen, wenn sie sich über gesetzliche Grenzen hinweggesetzt haben, sondern lediglich hinter Gitter gesteckt. Aufgrund dieser Inkonsequenz ist uns ein riesiger Fundus musikalischer Zeugnisse der Tierkünstler_innen erhalten geblieben.
Im traditionellen Genre des Mixes sollen einige ihrer Songs fragmentarisch vorgestellt werden. Da in einem Mix der eine Song den anderen quasi verschlingt, kann es durchaus vorkommen, dass eine Katze von einer Makrele oder ein Elefant von einer Maus verspeist wird.

„M13“ findet sich auf dem Sampler Pegel Pegel! Vol. 1 und als 7’’ Single-Auskopplung. Beide sind 2014 beim Label Pegel-Pegel!, Zürich erschienen.

„Zoopolis – A Political theory of Animal Rights“ erschien 2011 bei Oxford University Press (dt. Zoopolis. eine politische Theorie der Tierrechte, Suhrkamp 2013).

Nomenklatur von Reggae und Dancehall-Künstler_innen:
Alley Cat, Ants Man, Bad Dog, Birdy Brown, Black Lion, Black Mice, Black Pantha, Black Rat, Black Rhino, Bling Dawg, Blue Fox, Brown Lion, Burro Banton, Bully Cat, Camelion, Cheshire Cat, Chicken Chest, Chicken Hawk, Colin Roach, Copper Cat, Daddy Ants, Daddy Lizzard, Daddy Rat, Daddy Shark, Daphne Bluebird, DJ Chicken, Dirty Dog, Duckman, Ducky Ranks, Dr. Cabull Bird, Droop Lion, Earthworm, Eek a Mouse, Elephant Man, Falcon, Fire Fly, Fire Lion, G alawasp, Garrion Hawk, Geico Lizzard, Ghetto Lion, Goofy, Gongzilla, Gorilla Man, Gospel Fish, Grizzly, Grizzly Cat, Hawkeye, Hawk Man, Hornsman Coyote, Horseman, Hot Dog, Jagwa, Jah Bird, Jah Bull, Jah Lion, Jah Swallow, John Mouse, Junior Cat, Junior Lion, Junior Tiger, Kangaroo, Killa Cat, Killer Bees, King Kong, Lady Mackerel Leopard, Leroy Gibbons, Lion Club, Lion Face, Lion Heart, Lion King, Lion Melody, Lion Paw, Lion Youth, Lord Flee, Mad Cobra, Mad Lion, Madd Spider, Major Cat, Major Fox, Major Mackerel, Mr. Chicken, Mr. Mutton, Mr. Chicken, Parrot, Paul Fox, Pelican, Pink Pantha Pitbull, Professor Grizzly, Ranking Cobra, Ranking Fish Eye, Raw Dawg, Red Dragon, Red Fox, Red Monkey, Red Rat, Roaring Lion, Roger Robin, (Major) Sardine, Scorpion, Shot Dog, Silver Cat, Silver Fox, Silver Turtle, Singing Bird, Snake Man, Snagga Puss, Snatcher Dog, Snoop Lion, Spider, Spider Man, Spider Cat, Stereo Luchs, Super Beagle, Super Cat, T aranchyla, Tenor Cat, Tenor Fly, Terrible Cat, Tiger, Top Cat, Tuff Lion, Tumpa Lion, Turtleman, Tweetie Bird, Unicorn, WASP, White Cat, White Mouse, White Belly Rats, Wild Cat, Wolfman, Wolf Pack, Yellow Bird, Yogie, Zebra*

*Wertvolle Hinweise und Anregungen nur Nomenklatur stammen aus einem Forumsthread auf dancehallmusic.de. Vielen Dank an die User: done, Fusy!, rEaDy2rOcK, Selektor K, Shogun, Smart.

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